über meine arbeit

  Geboren in Greifswald und später aufgewachsen in schönster Kulturlandschaft bei Dresden, empfing ich schon früh durch Elternhaus, Museen, Reisen starke Eindrücke von der Farbenpracht orientalischer Kelims, von archaischer Volkskultur und -gefäßherstellung, von der Klassischen Moderne. 

Eine der frühesten Erinnerungen: intensive Farbfeldträume. Eigene Arbeiten umkreisten schon die Pole Farbe (Aquarelle) und das Formen von Gefäßen.

 

  Nach dem Abi Vorpraktikum für ein Studium an der Burg Giebichenstein in Halle/Saale: ein Jahr verbrachte ich begeistert und geradezu besessen vom Töpfernlernen im thüringischen Städtchen Bürgel. Dann, 1984, Umzug nach Halle, graue, ruinöse Stadt im Industriedunst, aber im Umkreis der „Burg" intensives künstlerisches Klima. Giebichenstein bot in zauberhaftem Ambiente klassisches künstlerisches Grundlagenstudium, vor allem aber ein breites Experimentierfeld zur Erforschung des Materials Keramik unter dem Einfluss eindrucksvoller Lehrerpersönlichkeiten wie Gertraut Möhwald und Heidi Manthey.

 

  Bald schon entstand der Wunsch – auch als Gegenposition zum teil malerischen, meist aber unerträglich öden DDR-Grau – farbig zu arbeiten, Malereien auf Papier in Keramik zu übersetzen. Was sich als schwierig erwies, da die Farben sich erst im Brand entwickeln und man quasi „blind" arbeitet. Es folgten systematische Experimente mit den Möglichkeiten farbiger Glasuren (Mosaik, Wachsreservage, Theorie der Farbe usw.). Vgl. Skizzen und Entwürfe. 1989 als Diplomarbeit ein Ensemble aus stark farbig bemalten Tellern (vgl. Studienarbeiten).

Abschluss des Studiums pünktlich zur „Wende", 2 Jahre noch Aufbaustudium (vgl. Malerei, Aquarelle), danach aber: was nun?

  

  Mit dem Mauerfall waren die beruflichen Chancen des ehemaligen Traumberufes Keramik über Nacht gegen Null gefallen. Nach den Jahren des Studiums ohnehin etwas müde und motivationslos, war ich umso neugieriger auf die neue Realität, also Flucht nach vorn:
Umzug 1991 nach Berlin, die faszinierende Nahtstelle von Ost und West, quasi ins existenzielle Niemandsland. Ich besetzte, wie damals üblich, eine der vielen leer stehenden Wohnungen und fand auch bald einen mich begeisternden Job auf einem Abenteuerspiel-platz in der Berliner Innenstadt, der den Rahmen für eine relativ selbstbestimmte soziokulturelle Arbeit mit Kindern bot.


  Nach einigen spannenden und anstrengenden Jahren in diesem Job noch mal der Luxus Künstlerweiterbildung an der Hochschule der Künste Berlin: anregende Exkurse in westliche Kunstwelten, theoretische Arbeit, Standortbestimmung, Selbstreflexion.

Während all dem wuchs die Lust, mich auf meine eigentlichen Fähigkeiten und meine Ausbildung zu besinnen, wieder Keramik zu machen und eine freiberufliche Existenz zu wagen.

Deshalb 1995 Gründung meiner Werkstatt im Prenzlauer Berg. Ich knüpfte dort an, wo ich nach dem Diplom aufgehört hatte: die traditionelle keramische Palette zu erweitern und malerische Techniken souverän handhaben zu lernen. Versuche mit Drucktechniken, Sgraffito, Mustersammlungen, skulpturale Gefäße. In der Felsdosen-Serie Reminiszenzen an malerische Bröckelfassaden, Hallenser Ästhetik, Karstlandschaften, alles aufwändige Unikate, kaum in Serie herstellbar, schwer verkäuflich (vgl. Archiv).

Jetzt aber stellte sich die Frage: kann ich davon existieren?

Das bedeutete Notwendigkeit von Effektivierung, Serienproduktion, wenn ich mich nicht, wie seit Jahren, weiter über Gelegenheitsjobs finanzieren wollte, und Auseinandersetzung mit den Themen Markt, Publikum, Geldverdienen (ächz)!

 
  2001 fanden Andrea Herrmann und ich die schönen Werkstatträume in der Schliemannstraße im lebendigen und sich rasant entwickelnden Helmholtzkiez. 

Diese Öffentlichkeit brachte neue Anforderungen mit sich: Erweiterung des Formenangebotes, Ensembles, Kombinierbarkeit, Nachfrage nach unprätentiöser bezahlbarer farbiger Keramik für den täglichen Gebrauch. Funktionale und ökonomische Aspekte traten in den Vordergrund.

 

Die Ökonomisierung hat zwei Seiten: „abgeschliffen wie ein Stein im Meer" wird man einfacher, besser, sicherer, aber auch routinierter, steriler, irgendwann vielleicht ausgebrannt. Eine täglich zu bewältigende Gratwanderung.

  

Folgerichtig entwickelte sich meine Arbeit von stärkerer Plastizität hin zu mehr formaler Strenge, Vereinfachung der Malerei schrittweise bis zur Konsequenz, zum einfachsten grafischen Bauelement: Streifen.

Leicht in Mengen reproduzierbar, eröffnen sich dennoch innerhalb dieser minimalistischen Struktur schier unendliche gleichsam musikalische Variationsmöglichkeiten (Rhythmus, Farbe, Helldunkel).

Ich arbeite schnell in großen Mengen an der Töpferscheibe, endlose Reihen die ich  improvisierend bemale, jeweils ausgehend von einem farbigen Grundthema. (vgl. Galerie


Neben dieser meist heiter wirkenden Streifenkeramik gibt es die in aufwändiger Wachstechnik gearbeitete, kostbarer wirkende dunkle Kollektion: Glasurfelder auf schwarzem Ton erzeugen ein tiefes Leuchten, der Gegensatz von Scherben und Glasur erzeugt ein Relief mit stark haptischen Qualitäten, Glasuranflug lässt den Scherben metallisch wirken.

 

Keramische Technik (vor allem der Brand, z. Zt. unser relativ neuer Ofen) birgt nach wie vor immer wieder Überraschung, Unberechenbares, Zufälle, Fehler, die sich kultivieren lassen und Quelle für Neuentwicklungen werden.

Geringfügige Erhöhung der Brenntemperatur beispielsweise erzeugt eine steinrauhe Oberfläche, die Glasuren samt Streifen beginnen herabzufließen und und verwandeln sich in eine Art Bandachat, ähnlich den Halbedelsteinen, die wir als Kinder im Erzgebirge aus dem Berg klopften (vgl. Galerie).

Es bleibt spannend, und jedes Stück ist damit auf seine Weise einmalig.

Täglich fließt Gesehenes in die Arbeit ein, ich nenne es "visuellen Stoffwechsel", die Welt ist voller Farbklänge, die ich ständig auf kleinen Zetteln sammle („verbale Skizzen"), überall ist Futter für die Augen, fast alles ist inzwischen in Keramik übersetzbar, verwandelbar.

 

Susanne Protzmann 2005/2010